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Wieso will man nicht regieren, wenn man doch sollte ?

Am Abend des 23. November gab es in den Niederlanden drei Gewinner der Parlamentswahl. Einerseits jene Partei, die kaum jemand – ausser ihrer Anhänger – regieren sehen will: die PVV von Geert Wilders. Andererseits aber auch eine Wahlallianz aus Sozialisten und Grünen, die von Frans Timmermans in die Wahl geführt und zweitstärkste Kraft wurde. Drittens die Partei „Nieuw Sociale Contract“ (NSC) von Pieter Omtzigt, einem langährigen Abgeordneten der Christdemokraten.

Am selben Wahlabend trat Timmermans vor seine Truppen und kündigte an, nun müsse man „die Demokratie verteidigen“. Wie auch immer er das meinte – es bedeutete scheinbar vor allem, dass er nicht regieren wollte. Bei diesem Wahlausgang eigentlich völlig unverständlich. Er war eindeutig einer der Wahlgewinner. Zusammen mit den liberalen Parteien und der NSC käme Sozialistisch/Grün auf eine absolut stabile Sitzmehrheit in der Tweede Kamer, und niemand hätte monatelang darüber vorverhandeln müssen, dass Geert Wilders nicht Premierminister werden soll – was eigentlich ein Witz ist. Entweder man verhandelt mit ihm und seiner Partei, und dann muss diese als eindeutig stärkste Kraft auch einen Premierminister Wilders benennen können, oder man verhandelt eben nicht mit der PVV, sondern unter den Wahlsiegern der Mitte.

Man hätte in der Mitte verhandeln können, und Frans Timmermans hätte eine solche Verhandlung anstossen müssen. Er hat es nicht getan. Trotz der 25 Sitze, die aus seiner Wahlallianz die zweitstärkste parlamentarische Kraft – und die stärkste der politischen Mitte – gemacht hatten, verzichtete Timmermans bis heute darauf, einen Regierungsbildungsanspruch zu formulieren. Wieso tut man so etwas?

Die PVV wurde nicht mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet, sondern mit rund einem Viertel der Sitze im Parlament. Das ist zwar viel, aber eben nicht so viel, dass keine Regierungsbildung ohne sie möglich wäre. Die Liberalen, Sozialdemokraten, Christdemokraten (einschliesslich NSC) und Grünen verfügen weiterhin über Mehrheitsmöglichkeiten, wobei man den Bauernbund gegebenenfalls genauso für die Mehrheitserweiterung hinzuziehen könnte, wie andere kleinere Parteien mit Regierungserfahrung. Eine solche Mehrheit der Mitte wäre völlig legitim, sie bestünde zum grossen Teil aus Wahlgewinnern, und würde es den Niederlanden erlauben, auf dem Pfad der demokratischen Verlässlichkeit und der unbestrittenen Rechtsstaatlichkeit voranzuschreiten.

Nun wird aber zwischen PVV, der rechtsliberalen VVD, NSC und dem Bauernbund BBB verhandelt. Die liberalen niederländischen Parteien bekommen Probleme in ihrer europäischen Parteienfamilie, die nicht will, dass ihre Mitglieder mit extrem rechten Parteien Koalitionen eingehen. Das ist völlig normal – oder stellt man sich vor, die europäischen Liberalen würden jubeln, wenn die FDP in Deutschland mit der AfD koalieren wollte?

Auch in den Niederlanden sollte gelten, dass man mit extrem Rechts nicht koaliert, schon gar nicht, wenn es mehr als eine alternative Option für parlamentarische Mehrheiten gibt. Die letzte Regierungsbeteiligung der PVV war ein Fiasko, wieso sich das noch einmal antun, wenn es gut anders geht? Wieso will man nicht regieren, in der parlamentarischen Mitte, wenn man dazu ein völlig korrektes Volksmandat hat? Es ist traurig genug, dass mittlerweile vor Wahlen mehr Koalitionsausschlüsse formuliert werden als Koalitionsmöglichkeiten. Aber lieber extrem Rechts an die Macht lassen, als selber Verwantwortung zu übernehmen, ist demokratisch schändlich. Die Verwantwortungsverweigerung von Frans Timmermans ist kein gutes Zeichen für die Stärke der politischen Mitte. Sie wird dazu führen, dass Verhandlungen mit extrem Rechts irgendwann normal werden – ohne dass auch nur eine vernünftige Überlebensperspektive solchermassen gebildeter Koalitionen besteht. Zu hoffen, dass die Wähler extrem rechter Parteien dann irgendwann von ihren Parteien abrücken, wenn sie sehen, dass sie zum längeren, verlässlichen Regieren eigentlich unfähig sind, ist ein Wagnis. Und irgendwann kann es passieren, dass die rechten Parteien so stark werden – wie aktuelle Umfragen in den Niederlanden andeuten – dass wirklich nicht mehr ohne sie regiert werden kann. Konsequente demokratische Politik der Mitte ist das beste Mittel, um derartige Entwicklungen zu verhindern. Das verlangt aber die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Damit hätte Frans Timmermans die niederländische Demokratie wirklich schützen können. Mit Weglaufen funktioniert das nicht.

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