LuxemburgPoltik

„Firwat soll et net opgoen ?“

Die wundersame Haushaltskonsolidierung

Der Haushaltsentwurf der CSV-DP Koalition für 2024 wird in den nächsten Tagen im Parlament zur Verabschiedung vorbereitet. Natürlich ist es ein Übergangshaushalt, der noch Spurenelemente der Prioritäten der letzten Regierung aufweist, erst mit dem Haushalt für 2025 wird sich die Logik von Schwarz-Blau komplett durchsetzen. Dann wird definitiv klar und deutlich, in welcher Fantasiewelt die aktuell Regierenden leben. Einen Vorgeschmack auf diese Enthüllung hat allerdings jeder bekommen, der sich die Auslassungen der Berichterstatterin für den Haushalt 2024 bei RTL anhören wollte.

Diane Adehm legte dieser Tage zu morgendlicher Stunde dar, wie das mit den Steuererleichterungen, der Finanzplatzförderung und dem Sparen zusammengenommen funktionieren soll. Dabei wiederholte sie das Mantra vom selbstverständlichen Wachstum, das alle aktuellen Probleme lösen wird. Sie bezog sich ständig auf die vermeintlich genialen Rezepte von Gilles Roth, die letztlich die von Luc Frieden sind. Das Wachstum wird kommen, die Schulden werden vergehen, wir werden erlöst. Die Realität ist leider ganz anders, als dieses haushaltspolitische Vaterunser der CSV-Finanzgurus.

Zunächst einmal ist Wachstum nicht gottgegeben. Nicht einmal am Finanzplatz, und nicht einmal, wenn man den Akteuren dieses Platzes jeden Wunsch von den Augen abliest. Die aktuellen Zahlen sprechen eine recht deutliche Sprache: es gibt aktuell kaum Wachstum, und das für die nächsten Jahre in den Planungen zugrunde gelegte ist viel mehr Ausdruck von Hoffnung als von vernünftiger Erwartbarkeit. Die Gründe hierfür sind offensichtlich. Infrastrukturelle Unzulänglichkeiten, ein in der Großregion bereits ziemlich leer gesaugter Markt von Arbeitskräften, die noch in Luxemburg beschäftigt sein wollten, und die horrenden Mietpreise bilden zusammen eine Realität, die Wachstum schlicht nicht mehr fördern kann.

Nebenbei bemerkt: wir leben in außerordentlich spannenden Zeiten der allgemeinen Instabilität und Unvorhersehbarkeit. Das wird sich in den kommenden Monaten nicht ändern. Das allein sollte uns in Europa dazu anleiten, vorsichtig in Bezug auf erwartetes Wirtschaftswachstum zu sein – besonders, wenn wir nicht einmal die Chancen nutzen wollen, die sich aus der Energietransition ergeben. Eine Transition, die von der luxemburgischen Regierung so ernst genommen wird, wie Marienerscheinungen bei der AHA.  

Die totale Konzentration auf den Finanzplatz ist selbst ein Grund für das Nicht-Stattfinden weiteren Wachstums. Nach Jahren relativer Normalität im Umgang mit den europäischen Partnern gilt nun wieder die desaströse alte Logik „Finanzplaz first“. Das wird in Europa mit Befremden zur Kenntnis genommen. Kaum jemand versteht, dass ein Politiker aus der CSV, nämlich Jean-Claude Juncker, die Kapitalmarktunion als Krisenbekämpfungsinstrument auf den institutionellen Weg gebracht hat, und ein anderer Politiker aus der CSV, Luc Frieden, als Premierminister heute Allianzen mit allen möglichen Mitverhinderern sucht, um diese auszuhöhlen. Die Regierung scheint zu glauben, dass man uns in Europa ernst nimmt, wenn wir wieder die Lieder aus dem alten Album singen. Das wird nicht funktionieren. Man wird uns nicht nur nicht ernst nehmen, sondern uns ganz sicher keine Gefallen mehr tun. Mit einer solchen Vorgehensweise schmälert man Zukunftschancen, anstatt sie zu erschließen.

Wie eine solche Haltung mit der Nutzung des Fonds-Standort Luxemburg für die europaweite Mobilisierung von Kapital zur Finanzierung des „Green Deal“ kompatibel sein soll, leuchtet selbst beim zweiten Anlauf nicht ein. Dabei hat sich die Luxemburger Börse über Jahre erfolgreich Mühe gegeben, sich als „grüne Börse“ zu präsentieren. Aber alles Grüne muss bekanntlich nun weg, weil das Volk es nicht will. Das gilt dann auch für die Wachstumschancen aus der nachhaltigen Transition.

Während wir also auf irgendein Wachstum warten, das uns ein gehegter und gepflegter Finanzplatz bescheren soll, fehlen Milliarden zur Finanzierung der laufenden Ausgaben. Noch ist das Militärbudget schließlich nicht verdoppelt, und auch keine sonstigen neuen Akzente bei den Ausgaben gesetzt. Noch fehlen ganz einfach zwei Milliarden in einem Haushalt, der weiterhin acht Milliarden braucht, um den öffentlichen Dienst zu bezahlen. Von dem hört man übrigens nicht, dass er begeistert erwartet, dass einstweilen keine neuen Beamten eingestellt werden. Das wäre dem Volk, das schließlich für sich selbst und seine aktuellen und zukünftigen Kinder öffentlich-rechtliche Beschäftigung erwartet, auch gar nicht zuzumuten.

Eine wirkliche Logement-Offensive gibt es nicht, und es wird keine geben. Die Bemühungen der Koalition verfolgen genau zwei Ziele. Erstens: die Geschäfte der großen Immobilienzocker wieder anzukurbeln, schließlich geht es um Freunde. Zweitens: die Preise stabilisieren. Dass dabei auf Jahre kein zusätzlicher Mietwohnraum entstehen wird, dies wiederum den Standort Luxemburg für neue Mitarbeiter welcher Wirtschaftszweige auch immer dauerhaft unattraktiv hält und also mit dafür sorgen wird, dass das mirakulöse Wachstum nicht stattfindet, das für die Haushaltspolitik der Regierung dringend gebraucht würde – könnte man sehen, wenn man denn wollte. Will man aber nicht.

Man landet nicht mit 25 Jahren auf seinem ersten Arbeitsplatz bei einer hier ansässigen Anwaltskanzlei oder einem Finanzinstitut und will dann sofort ein Haus kaufen. Man hat vielleicht einen befristeten Vertrag, will sich einmal umschauen, herausfinden, ob es einem hier dauerhaft gefallen könnte…das alles tut man als Mieter. Bei den aktuellen Preisen für Mietwohnungen werden jedoch immer weniger solcher Menschen zu uns kommen. Dabei handelt es sich um genau jene Menschen, von denen die Wirtschaft, auch der Finanzplatz, ständig behaupten, dass sie gebraucht werden. Ist es so schwer, zu verstehen, dass die aktuelle Politik das beste Instrument dafür ist, neue Mitarbeiter für die Wirtschaft gar nicht erst ankommen zu lassen?

Wenn es ernst wird – und das wird es relativ schnell, denn neue notwendige Ausgaben und ganze Ausgabenkategorien stehen direkt vor der Tür – wird sehr schnell deutlich werden, dass die Rechnung der Regierung nicht aufgeht. „Manner méi“ für aktuelle laufende Ausgaben ist immer noch mehr, und wird keine neuen Spielräume zulassen. Nun könnte man über Kapitalbesteuerung nachdenken, um neue Einnahmen zu schaffen – aber dann, so sagt der „Finanzplatz“, werden alle weggehen und Luxemburg wird eine wirtschaftliche Wüste. Das ist natürlich völliger Quatsch. Das Problem ist bloß: die Regierung glaubt ihn. Wenn sich dann ein Journalist erdreistet, die Frage zu stellen, ob denn ein Plan B existiere, für den Fall, dass die Sache mit dem Wachstum nicht aufgeht, lautet die Antwort (zumindest die von Diane Adehm): „Firwat soll et net opgoen?“ Diese Gegenfrage ist schnell beantwortet: „Well et guer net kann opgoen“. Es wird aus den genannten Gründen nicht aufgehen, und aus einer Vielzahl von weiteren, die zusammen verhindern werden, dass ein Land ohne wirtschaftliche Vorstellungskräfte, ohne Bereitschaft zum Risiko, und ohne die Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung steuerpolitische Wunder erlebt. Der Wunderglaube ist wohl das einzig christliche, an dem die nun wieder regierende CSV festhält. In einer säkularen Gesellschaft wäre ein kleines bisschen finanz- und wirtschaftspolitische Kompetenz der sicherere Weg.

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"