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State of National Union

Wie sich die USA vor sich selbst retten könnten

Wie sich die USA vor sich selbst retten könnten

Man stelle sich folgendes Bild vor. Am Abend des 5. November wird ein älterer weisser Herr mit deutlicher Mehrheit zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. An seiner Seite strahlt eine erheblich jüngere gewählte Vizepräsidentin mit ihrem Chef um die Wette. Ein anderer älterer Herr hat seine Wahlparty abgeblasen, weil er diesmal, mit einem Abstand von fast 20 Prozent geschlagen, wirklich nicht mehr behaupten kann, die Wahl wäre manipuliert. Er zeterte noch etwas von Aufstand, aber sein erster war schon nicht besonders gelungen. Und so ziehen der Demokrat Joe Biden als Präsident und die Republikanerin Nikki Haley als seine Vizepräsidentin ins Weisse Haus ein. Klingt komisch? Ginge aber so!

Die Verfassungsordnung der Vereinigten Staaten wurde geschaffen, als noch niemand an das heutige antagonistische Zweiparteiensystem dachte. Es war eigentlich vorgesehen, dass die Wahlleute den Kandidaten mit den meisten Stimmen zum Präsidenten und jenen mit den zweitmeisten Stimmen als Vizepräsidenten wählen. In der „Constitution“ ist demnach eigentlich eine Form kooperativer Regierung seit jeher angelegt – sie ist nur heute angesichts der Konfrontation zwischen Trumpismus und Demokratischer Partei nicht mehr vorstellbar. Ein Duo ins Rennen zu schicken, das die von der Verfassung eigentlich gewollte Kooperation in der Exekutive auch selbst verkörpert, könnte ein Weg sein, zum Verstand der Gründungsväter zurückzufinden.

Joe Biden wird sich mit seiner aktuellen Vizepräsidentin Kamala Harris keinen Gefallen im Wahlkampf tun. Sogar wenn er noch einmal gewählt würde, sogar mit ihr an seiner Seite – sie selber wird es nie. Seine eigene Popularität hält sich in Grenzen, doch ihre ist schon fast unterirdisch. Was wie eine faszinierende Geschichte begann, in der ein alter Präsident nach einer Amtszeit seiner jungen Stellvertreterin die Kandidatur überlässt, die als erste nicht weisse Präsidentin Geschichte schreiben wird, riskiert, als Schauermärchen zu enden – mit Donald Trump als wiedergewähltem Staatsoberhaupt der USA. Wenn er denn nicht doch noch vom Supreme Court daran gehindert wird, überhaupt zu kandidieren…aber auf solch glückliche Fügungen sollte man sich nicht unbedingt verlassen. Es gibt eben jemanden, der all das ist, was auch Kamala Harris ist, nur eben in populär und menschlich zugänglich. Es gibt eine Frau im richtigen Alter, nicht weiss, aus dem Süden, mit gemässigt konservativem Weltbild, das aber nicht abschreckt.

Nikki Haley sollte mit einer Vizepräsidentschaftskandidatur eine neue Art nationaler Union bewerkstelligen. Dies würde einen veritablen „Wow-Effekt“ zur Folge haben, und eine ziemlich beliebte Politikerin, die Tochter indischer Einwanderer ist und die sich die Amerikaner im Oval Office vorstellen können, wäre genau das, was Joe Biden brauchte, um noch einmal gewinnen zu können. Wissend, dass dann beide gewonnen hätten, weil es tatsächlich während seiner zweiten Amtsperiode zum Wechsel im Oval Office käme. Ein geplanter Wechsel, angekündigt und von beiden vetreten, um den Wahn des Trumpismus endlich zu überwinden und „the Donald“ jenem Schicksal näher zu bringen, das er wohl verdient: bis auf weiteres Gast in einer Justizvollzugsanstalt zu sein, in dem die Gefangenenuniformen eine ähnlich lächerliche Farbe haben, wie sein Haupthaar.

Nikki Haley könnte als nicht weisse Frau, der die Amerikaner das höchste Staatsamt zutrauen, Präsidentin sein zu können, mit Joe Biden im Team antreten, und der Deal würde beinhalten, dass er beim ersten Anzeichen wirklicher Amtsführungsschwierigkeiten tatsächlich ihr den Chefsessel überlässt. In Wirklichkeit würde er allerspätestens an, sagen wir, seinem 85. Geburtstag zurücktreten, besser früher, zu den Midterms 2026. Dann bliebe Präsidentin Haley noch genügend Zeit, um die Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen, sie im November 2028 zu wählen. Sie wäre in den ersten Jahren quasi Joe Bidens Premierministerin und würde ohne Zweifel wesentliche Teile der Amtsgeschäfte des Präsidenten an seiner statt führen, auch auf der internationalen Bühne. Sie würde vorhersehbar das Amt von ihm übernehmen, ohne dass er endlos über Sandsäcke und Fahrräder stolpern muss, bevor er von einer feindseligen Mehrheit im Kongress aus dem Amt entfernt wird.

Mit Nikki Haley als Vizepräsidentschaftskandidatin wäre es sogar denkbar, dass der Kongress bei den Wahlen am gleichen Tag nicht völlig an die Republikaner verloren geht, und wenn, dann an vernünftige, mit denen man Gewaltenteilung praktizieren kann, ohne Gewalt anwenden zu müssen. Die USA könnten „bipartisan government“ lernen, sie würden erleben, was eine Koalition ist, zum Wohl des Landes und – ohne übermässiges Pathos zu bemühen – auch der Welt, die eine nicht nur handlungs-, sondern vor allem eine zurechnungsfähige Regierung der Vereinigten Staaten braucht. 

Und: Nikki Haley würde wohl 2028 auch selbst gewählt, auch in der unwahrscheinlichen Hypothese, dass Trump dann noch einmal kandidiert. Bis 2032 wird er Geschichte sein, und sie würde als jene in diese eingehen, die die Vereinigten Staaten vor der erschreckendsten Version ihrer selbst gerettet hat. Eine schöne Geschichte, eigentlich. They should make it happen!

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