
Die luxemburgische Regierung will vieles anders machen als ihr Vorgängermodell. Tatsächlich war die zweite Auflage von Blau-Rot-Grün ein Projekt, das keines mehr war. Die drei Parteien hatten es 2018 eigentlich wider Erwarten noch einmal zu einer gemeinsamen Mehrheit geschafft, und sahen keinen Grund, ihr Projekt nicht in die Verlängerung zu führen. Sie regierten weiter gemeinsam, weil sie es konnten. Hätte es Pandemie und Ukrainekrieg nicht gegeben, wäre die letzte Regierung sehr schnell in existenzielle Not geraten: es hätte kaum eine überzeugende Grundlage für längerfristiges gemeinsames Handeln bestanden. Die schwarz-blaue Koalition, die seit Ende letzten Jahres regiert, tut nun so, als ob sie über ein ideelles Fundament verfügte, das sie zum konsequenten Handeln anleitet.
Seit Ende November scheint die eine Hälfte des Landes überglücklich zu sein, dass endlich wieder „normal“ regiert wird. Es herrschen Parteien, denen man in jenen Kreisen vertraut. Völlig egal, dass man fast ein Jahrzehnt lang die CSV in ihrem Oppositionsdasein bestenfalls belächelt hat, und bis kurz vor der letzten, ebenso entscheidenden wie unerträglichen, Welle des Grünen-Hasses überhaupt keinen Grund sah, diese Partei noch einmal regieren zu lassen. Egal auch, dass die DP ohne Probleme zehn Jahre Dreierkoalition über Bord gekippt hat und sich in ein Regierungsbündnis gerettet hat, in der sie lediglich für Luc Frieden die Reihen füllt, wie sie es 1999 bis 2004 für Jean-Claude Juncker getan hat. Hauptsache, man regiert. Regieren wird allerdings unter den aktuellen Umständen nicht halb so gemütlich, wie viele hoffen.
Da wäre zum Beispiel die Sache mit den Kosten des Staatsapparats. Diese sind in den vergangenen zehn Jahren völlig abnormal gestiegen, ihr Anteil an den Gesamtausgaben beläuft sich mittlerweile auf rund 25 Prozent. In Euro ausgedrückt kosten die Löhne beim Staat sieben Milliarden Euro. Dazu kommt noch eine weitere Milliarde an Rentenbeiträgen. Bei Gesamtausgaben von rund 27 Milliarden im letzten Jahr eine Dimension, die nicht haltbar ist. FOKUS hatte dies in seinem Wahlprogramm klar zum Ausdruck gebracht – nun scheint die Regierung das Problem auch sehen zu wollen. Eigentlich müssten diese Kosten auf 20 Prozent der Gesamtausgaben zurückgeführt werden, in einem Haushalt, dessen Volumen nicht mehr steigen darf, wie es in den letzten Jahren gestiegen ist.
Im Klartext: die Beamtenschaft soll zwei Milliarden weniger kosten, und diese zwei Milliarden werden dringend gebraucht, um Raum für neue Investitionen schaffen zu können. Dann, und nur dann, ergibt sich auch eine Logik für zukunftsorientierte Neuverschuldung. Die schultert man, um zum Beispiel Sicherheit zu schaffen, nicht um einen übergroßen Staatsapparat zu bedienen. Im Moment leiht Luxemburg Geld, um seine Beamten zu bezahlen. Weniger nachhaltig kann man einen Staat nicht verschulden.
Das beschriebene Problem kann über die Legislaturperiode behoben werden, wenn ziemlich konsequent Beamte, die in Rente gehen, nicht mehr selbstverständlich ersetzt werden, sondern nur dann, wenn die betroffenen Stellen definitiv besetzt werden müssen. Wenn weniger „conseillers de gouvernement“ eingestellt werden, um die Minister parteitreu und linienkonform zu „beraten“. Wenn darauf geachtet wird, dass neu eingestellte Staatsdiener zum Beispiel dazu fähig sind, eine Gesetzvorlage zu schreiben, anstatt lediglich die Sozialmedienkanäle ihrer Minister zu befüllen. Und wenn, ja, vielleicht doch einmal eine Debatte über Gehälterstruktur und -progression beim Staat stattfände. Dies alles wird gegenüber einer CGFP, die schon beim Gedanken an eine regelmäßige Bewertung der Leistungen von Beamten Rot sieht, keine einfache Sache. Es ist jedoch angesichts der strukturellen Schieflage der Staatsfinanzen unabdingbar.
Die Regierung tut so, als ob sie bereit wäre, den steinigen Weg zu einer Eindämmung der staatlichen Personalkosten einzuschlagen. Mal schauen, ob sie durchhält. Wenn zum Beispiel ein relevanter Teil der Rentenabgänge im öffentlichen Dienst nicht mehr ersetzt wird, dann gerät zwangsläufig eine beliebte Luxemburger Praxis in Gefahr. Man wird verdiente Parteigänger, und ihre Söhne und Töchter, nicht mehr wie in der Vergangenheit unterbringen können. Wenn man sich Qualifikation und Leistung des öffentlichen Dienstes anschaut, und sie jenseits der nötigen Einsparungen auch noch verbessern will – dann landet man zwangsläufig bei der Notwendigkeit, qualifizierte Nicht-Luxemburger zukünftig stärker in den öffentlichen Dienst einzulassen. Damit stünden dann definitiv weniger Stellen für die potenziellen Wähler der Koalition zur Verfügung.
Jene Milliarden, die in Zukunft für spezifische Investitionen benötigt werden, finden sich nicht von alleine. Sie werden sich vor allem nicht dadurch finden, dass ein wundersames hohes Wirtschaftswachstum den Haushalt von selbst füllt. Das wird nicht passieren. Also werden die vorhandenen Mittel umverteilt werden müssen. Dies wird nicht ohne Abstriche bei den Pfründen und beim „acquis“ zu bewerkstelligen sein. Vor allem: die Regierung wird ihren doch sehr zahlreichen Fans erklären müssen, dass die harte Hand nicht nur beim Bettelverbot zum Vorschein kommt, sondern eben auch dort, wo es nötig ist. Nämlich beim seriösen Umgestalten des Staatshaushalts, der wirkliche Notwendigkeiten bedienen muss und deshalb nicht mehr unbegrenzt zur Erheiterung des Wahlvolks dienen kann.
Dazu wird die Regierung Wahlversprechen kassieren müssen. Sie wird ihren Wählern klarmachen müssen, dass ohne neue Einnahmen keine größeren Steuererleichterungen möglich sein werden. Sie wird erklären müssen, dass Zwei Prozent NATO-Beitrag eben, je nach Berechnung, anderthalb bis zwei Milliarden Ausgaben bedeuten, und nicht mehr knapp 700 Millionen. Dass die dauerhafte Finanzierbarkeit des Rentensystems auch etwas mit der Reduzierung des staatlichen Anteils an dieser Finanzierung zu tun haben könnte. Das wäre alles sehr grausam, aber: im schlimmsten Fall werden Umschichtungen im Haushalt nicht einmal dafür ausreichen, ihn ohne übermäßige Neuverschuldung auf der Schiene zu halten.
Die Regierung und ihre Mehrheit könnten irgendwann sogar in die für sie dramatische Lage kommen, Kapital besteuern zu müssen, weil ein längerfristiges Zusammendampfen bestimmter Ausgaben angesichts kommender Wahltermine nicht mehr als gangbarer Weg empfunden wird. CSV und DP werden irgendwann dem Land erklären müssten, bestimmte Formen von Kapitaleinkünften wären ebenso zu besteuern, wie der Arbeitslohn. Alternativ müssten sie ein Wunder bemühen – und auf ein solches sollte man sich besser nicht verlassen. In den kommenden Monaten entsteht der erste „richtige“ Haushalt dieser Koalition. Man darf sehr gespannt sein, wie die CSV ihre eigene Handschrift dann erkennbar machen wird, und wie die DP eine mögliche komplette Umstülpung ihrer bisherigen Haushaltslogik erklären will. Klar ist: „Weiter so“ geht nicht mehr. Ob der politische Mut ausreichen wird, eine stramme Kursänderung zu vollziehen, wird sich im Herbst zeigen. Bis dahin wird in der internationalen Aktualität jeden Tag deutlicher, dass die Herausforderungen unserer Zeit keinen Raum für budgetäre Leichtfertigkeit mehr lassen.